Der Winter lässt sich für die Vermehrung von Apfelbäumen nutzen – etwa, um künftig eine reichere Ernte oder Großvaters alte Lieblingssorte im eigenen Garten zu haben. Das Veredeln von Apfelsorten durch die sogenannte Kopulation gelingt auch Anfängern und macht Spaß!

Als Edelreiser wählen wir gesunde einjährige Triebe. Bei den Apfelsorten entscheiden wir uns für ‘Alkmene’, ‘Geheimrat Dr. Oldenburg’ sowie einen alten, mir unbekannten Baum, den wir ‘Opas Bester’ taufen
Steht in Ihrem Garten noch ein alter Apfelbaum, der bald ersetzt werden muss? Oder pflegen Sie eine Streuobstwiese mit regionalen Züchtungen, die heute kaum noch zu haben sind? Vielleicht bietet der Garten auch nur Platz für einen Baum, dennoch möchte man bei Äpfeln, Birnen oder Kirschen in den Genuss einer frühen, mittelfrühen oder späten Ernte kommen. In diesen Fällen bietet sich das Umpfropfen oder Veredeln an.
Das Veredeln ist ein Sonderfall der vegetativen Vermehrung: Zwei Pflanzen werden zu einer verbunden, indem man ein sogenanntes Edelreis oder Edelauge auf eine Unterlage (Wurzel mit Stammstück) setzt. Ob man also die Apfelsorte ‘Boskoop’ oder ‘Topaz’ erntet, hängt vom verwendeten Edelreis ab. Ob der Baum aber in Buschgröße bleibt oder ein breitkroniger Hochstamm wird, bestimmt die Wuchsstärke der Veredelungsunterlage. Durch das Veredeln lassen sich also Sorten- und Wuchseigenschaften neu kombinieren. Das ist vor allem bei Obstbäumen wichtig, denn kleinkronige, niedrige Obstbäume auf schwachwüchsigen Unterlagen wie zum Beispiel ‘M9’ tragen früher und machen beim Obstbaumschnitt weniger Arbeit.
Schritt für Schritt: So veredeln Sie einen Apfelbaum


Wir haben in einer Obstbaumschule schwach wachsende Apfelunterlagen ‘M9’ besorgt, damit die Bäume nicht so groß werden. Sortenetiketten kennzeichnen die Zweige der verschiedenen Sorten, aus denen wir die Edelreiser zuschneiden.


Die Wurzeln der Unterlage werden etwa um die Hälfte, der junge Stamm auf 15 bis 20 Zentimeter eingekürzt. Seine Länge richtet sich nach der Dicke des Edelreises, weil beide später passgenau aufeinandersitzen müssen. Man sollte jedoch darauf achten, dass die Veredlungsstelle sich später etwa eine Handbreit über der Erdoberfläche befindet.


Als Edelreis schneiden wir ein Triebstück mit vier bis fünf Knospen ab. Es sollte etwa so stark sein wie die Unterlage. Schneiden Sie es nicht zu kurz – so bleibt etwas Reserve, falls der Veredlungsschnitt später nicht gleich gelingt.


Wer noch nie veredelt hat, sollte die Schnitttechnik zunächst an jungen Weidenruten üben. Wichtig ist eine ziehende Schnittführung. Die Klinge wird fast parallel zum Zweig angesetzt und in einer gleichmäßigen Bewegung aus der Schulter heraus durch das Holz gezogen. Dafür muss das Veredlungsmesser sauber und absolut scharf sein.


Die Kopulationsschnitte erfolgen beim Edelreis am unteren und bei der Unterlage am oberen Ende. Die Schnittflächen sollten für eine gute Deckung vier bis fünf Zentimeter lang sein und im Idealfall genau aufeinanderpassen. Man darf sie nicht mit den Fingern berühren.


Die beiden Teile werden anschließend so zusammengefügt, dass die Wachstumsschichten direkt aufeinanderliegen und miteinander verwachsen können. Dieses auch Kambium genannte Gewebe ist als schmale Schicht zwischen Rinde und Holz erkennbar. Achten Sie beim Schneiden darauf, dass sich auf den Rückseiten der Schnittflächen jeweils eine Knospe befindet. Diese "Zugaugen" fördern das Anwachsen.


Mit einem Veredlungsband wird der zusammengesetzte Bereich verbunden, indem man die dünne, dehnbare Kunststofffolie stramm von unten nach oben um die Verbindungsstelle wickelt. Die Schnittflächen dürfen dabei nicht verrutschen.


Das Ende des Kunststoffbands wird mittels einer Schlaufe befestigt. So sitzt es schön fest und die Kopulationsstelle ist gut geschützt. Tipp: Alternativ kann man auch selbstklebende Veredlungsbänder verwenden oder das gesamte Edelreis inklusive der Verbindungsstelle in warmes Veredlungswachs tauchen. Damit ist das Edelreis besonders gut vor dem Austrocknen geschützt.


Fertig sind die veredelten Apfelbäumchen. Weil das Veredlungsband wasserundurchlässig ist, muss man den verbundenen Teil – anders als bei Bast- und Gummibändern – nicht zusätzlich mit Baumwachs einstreichen. Durch Sonneneinstrahlung löst es sich später von selbst auf.


Bei offenem Wetter können Sie die veredelten Bäumchen direkt ins Beet setzen. Ist der Boden gefroren, schlägt man die jungen Gehölze übergangsweise in einer Kiste mit lockerer Erde ein und pflanzt sie später aus.
Seit dem Mittelalter werden in Deutschland Obstbäume veredelt
Es mag überraschen, aber im Prinzip ist das Klonen von Pflanzen seit Jahrtausenden üblich. Denn nichts anderes ist die vegetative Vermehrung, also das Vervielfältigen einer bestimmten Pflanze, zum Beispiel durch Stecklinge oder Veredelung. Das genetische Material der Nachkommen ist mit der ursprünglichen Pflanze identisch. Schon in der Antike erhielt und verbreitete man so bestimmte Obstsorten, nördlich der Alpen wurde seit dem Mittelalter veredelt. Vor allem in Klöstern züchtete man neue Obstsorten und gab sie über Edelreiser weiter. Noch heute existieren einzelne Sorten wie der Apfel ‘Goldparmäne’, der bereits vor Jahrhunderten entstand und seitdem erhalten wurde.