Gartenwissen: Kaltkeimer
Die Begriffe Kaltkeimer oder Frostkeimer klingen zunächst paradox – schließlich ist es ja die Wärme, die das Wachstum der Pflanzen anregt. Kaltkeimer hingegen brauchen die niedrigen Temperaturen, um keimen zu können.
Kaltkeimer, früher auch Frostkeimer genannt, sollte man grundsätzlich im Herbst oder Winter aussäen, da sie nach der Aussaat einen Kältereiz brauchen, um keimen zu können. Die Samen der Kaltkeimer enthalten nämlich austriebshemmende und -fördernde Pflanzenhormone in einem bestimmten Gleichgewicht. In den frisch gereiften Samen dominiert das Hormon, das nach der Quellung der Samenschale die sofortige Keimung verhindert. Erst wenn die Temperaturen fallen, verschiebt sich das Gleichgewicht langsam zugunsten des keimfördernden Hormons.
Kaltkeimer sind Pflanzen, die nach der Aussaat einen Kältereiz benötigen, um keimen zu können. Zu den Kaltkeimern zählen beispielsweise Stauden wie die Christrose, die Pfingstrose und die Schlüsselblume und viele heimische Gehölze. Den Kältereiz erhalten die Samen entweder in einer Aussaatschale im Freien oder im Kühlschrank.
Kaltkeimer besitzen einen Schutz vor zu frühem Austrieb
Der Sinn dieses biochemischen Mechanismus liegt auf der Hand: Er soll verhindern, dass der Keim zu einer ungünstigen Jahreszeit – zum Beispiel schon im Herbst – die schützende Samenschale verlässt und die junge Pflanze im ersten Winter noch nicht kräftig genug ist, um den Frost zu überstehen. Zu den Kaltkeimern zählen überwiegend mehrjährige Stauden und Gehölze. Die meisten stammen aus gemäßigten und subarktischen Zonen oder Gebirgsregionen mit großer Temperaturamplitude, also kalten Wintern und heißen Sommern.
Untersuchungen haben gezeigt, dass sowohl der Zeitraum als auch die benötigten Temperaturen zum Abbau der Keimhemmung je nach Pflanzenart ganz unterschiedlich sein können. Gute Richtwerte für die meisten Arten sind null bis fünf Grad Celsius für vier bis acht Wochen. Es muss also nicht zwangsläufig frieren, damit die Samen ihre Keimhemmung verlieren. Aus diesem Grund wird die alte Bezeichnung Frostkeimer heute so gut wie nicht mehr verwendet.
Welche Pflanzen sind Kaltkeimer?

Pfingstrosen zählen zu den Kaltkeimern
Bekannte Kaltkeimer sind zum Beispiel die Christrose (Helleborus niger), die Pfingstrose (Paeonia), die Schlüsselblume (Primula veris), der Bärlauch (Allium ursinum), verschiedene Enziane, die Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris) oder das Alpenveilchen (Cyclamen). Viele heimische Gehölze wie Stiel-Eichen, Weiß- und Rotbuchen oder Haselnüsse sind ebenfalls Kaltkeimer.
Kaltkeimer aussäen: Schritt für Schritt
Wer Kaltkeimer aussäen möchte, sollte auf dem Samentütchen nachlesen, ob die Aussaat im Herbst oder im Winter empfohlen wird. Die Samen einiger Arten brauchen während der Quellung der Samenschale eine Phase mit höheren Temperaturen, bevor die Kältephase einsetzt. Ist sie zu kurz oder wird sie von einigen milden Tagen unterbrochen, kann sich die Keimung um ein ganzes Jahr verzögern. Diese Arten sät man am besten gleich nach der Samenernte aus.

Auf einen Blick: Dieses Material brauchen Sie für die Aussaat von Kaltkeimern
Für die Herbst-Aussaat benötigen Sie neben den Pflanzensamen eine Aussaatschale mit Wasserabzugslöchern, nährstoffarme Aussaat- oder Kräutererde, ein feinmaschiges Erdsieb, Etiketten, Erdstempel, Wassersprüher sowie Maschendraht als Fraßschutz.


Mit dem Erdsieb lässt man nun feine Aussaaterde auf die Samen rieseln. Je kleiner die Samen sind, desto dünner darf die Schicht sein. Für sehr feines Saatgut reichen zwei bis drei Millimeter als Abdeckung völlig aus.


Zum Schluss stellen Sie die Aussaatschale mit den Kaltkeimern ins Beet. Über den Winter erhalten die Samen hier den nötigen Kältereiz. Selbst Frost oder eine geschlossene Schneedecke sind für die Aussaaten kein Problem.
Tipp: Bei manchen Kaltkeimern wird empfohlen, die Aussaat in der Saatschale zunächst an einem warmen Ort vorquellen zu lassen und die Schale erst dann kalt aufzustellen. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, schichtet die Samen zuvor in ein offenes Gefäß und lagert sie vor der Aussaat im Frühjahr für einige Wochen im Kühlschrank.
Gehölzsamen lassen sich beim Keimen oft viel Zeit
Viele Gehölze haben auch aufgrund ihrer dicken und sehr harten Samenschale eine starke Keimhemmung – zum Beispiel Mandeln, Kirschen und Pfirsiche. In der Gärtnerei wird sie durch einen Vorgang eliminiert, den man Stratifizierung oder Stratifikation nennt. Dazu schichtet man die geernteten Samen im Herbst an einem schattigen Platz in große Behälter mit grobem Sand ein und hält diesen gleichmäßig feucht. Die Behälter werden gegen Mäusefraß mit einem engmaschigen Drahtgitter abgedeckt und das Gemisch aus Samen und Sand einmal pro Woche mit einer Schaufel durchmischt. Der dauerfeuchte Sand und die mechanische Behandlung fördern eine schnelle Quellung der Samenschale und verhindern gleichzeitig einen Pilzbefall. Zu den Rekordhaltern in Sachen Keimhemmung gehört übrigens die Zaubernuss: Es kann bis zu drei Jahre dauern, bis ihre Samen nach der Aussaat keimen.