Usutu-Virus: Eine tödliche Gefahr für Amseln
2011 und 2012 gab es in Deutschland das erste durch das Usutu-Virus ausgelöste Massensterben unter Vögeln, vor allem Amseln. Nach einigen Jahren ohne größere Ausbrüche trat das Virus 2016 und auch seit Anfang des Jahres 2017 wieder vermehrt auf. NABU und Virenforscher sind der Krankheit auf der Spur.

Amselmännchen sind nicht nur hübsch anzusehen, ihr Gesang erfreut im Frühjahr viele Gartenbesitzer
Im Jahr 2010 wurde das tropische Usutu-Virus, das durch Stechmücken auf Vögel übertragen wird, erstmalig in Deutschland festgestellt. Im folgenden Sommer löste es in einigen Regionen ein massives Amselsterben aus, das auch 2012 noch anhielt.
Betroffen war zunächst vor allem der nördliche Oberrhein. Bis Ende 2012 hatte sich die Epidemie in den wärmebegünstigten Regionen Deutschlands entlang des gesamten Rheintals sowie am Untermain und am unteren Neckar ausgebreitet. Durch das Virus verursachte Todesfälle unter Vögeln treten jeweils während der Mückensaison von Mai bis November auf.
Befallene Vögel wirken offensichtlich krank, werden apathisch. Sie flüchten nicht mehr und sterben meist innerhalb weniger Tage. Fast immer sind es Amseln, bei denen diese Krankheit festgestellt wird, weshalb die Usutu-Epidemie auch als "Amselsterben" bekannt wurde. Allerdings werden auch andere Vogelarten von diesem Virus befallen und können auch daran sterben. Das Überwiegen der Amseln lässt sich zum Teil durch deren Häufigkeit und Nähe zum Menschen erklären, aber eine besondere Empfindlichkeit dieser Art gegenüber dem Virus ist ebenfalls möglich.
In den Jahren 2013 bis 2015 konnte kein größerer Ausbruch einer Usutu-Epidemie in Deutschland festgestellt werden, doch 2016 wurden wieder viele Fälle gemeldet. Und auch seit Anfang Juli diesen Jahres häufen sich beim NABU wieder Meldungen kranker und kurze Zeit später verstorbener Amseln.
Der Ausbruch dieses für Deutschland neuen Virus stellt eine einmalige Chance dar, die Ausbreitung und Folgen einer neuen Vogelkrankheit zu verfolgen und zu analysieren. Der NABU arbeitet daher mit Wissenschaftlern des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg daran, die Ausbreitung des Virus und seine Auswirkungen auf unsere Vogelwelt zu dokumentieren und zu verstehen, um diese neuartige Bestandsbedrohung auch im Vergleich mit anderen Gefährdungsursachen beurteilen zu können.
Die wichtigste Datengrundlage sind Meldungen toter und kranker Amseln aus der Bevölkerung, sowie eingeschickte Proben toter Vögel, die auf das Virus untersucht werden können. Daher fordert der NABU dazu auf, tote oder kranke Amseln über ein Online-Formular zu melden und zur Untersuchung einzusenden. Das Meldeformular finden Sie am Ende dieses Beitrags. Eine Anleitung für das Versenden der Proben gibt es hier.
300.000 Amseln fielen der letzten Epidemie zum Opfer
Mit Hilfe dieser Internet-Meldeaktion und unter Mitarbeit vieler Vogelfreunde konnte der NABU den Verlauf des Ausbruchs im Jahr 2011 gut dokumentieren. Die Auswertung der Daten aus den großen NABU-Mitmachaktionen "Stunde der Wintervögel" und "Stunde der Gartenvögel" wies nach, dass die Amselbestände in den damals nachweislich vom Virus betroffenen 21 Landkreisen zwischen 2011 und 2012 merklich zurückgegangen sind und somit bei einem bundesweiten Gesamtbestand von acht Millionen Brutpaaren etwa 300.000 Amseln dem Virus zum Opfer gefallen sein könnten.
Lokal konnte in einigen Gebieten sogar das fast vollständige Verschwinden von Amseln festgestellt werden. In den folgenden Jahren konnten Amseln die entstandenen Lücken jedoch recht schnell wieder besiedeln und bleibende Auswirkungen auf überregionale Bestände der Amsel konnten bisher nicht bestätigt werden. Unklar ist aber, ob sich lokale Bestände bis zum nächsten Ausbruch der Krankheit jeweils wieder vollständig erholen konnten.
Der weitere Verlauf des Auftretens von Usutu-Erkrankungen lässt sich schwer vorhersagen. Die Vermehrung und Verbreitung der Viren hängt vor allem von der Witterung in den Sommermonaten ab: Je wärmer der Sommer ist, umso mehr Viren, Stechmücken und infizierte Vögel sind zu erwarten. Andererseits geht man davon aus, dass die Vögel zunehmend individuell erworbene Resistenzen gegen dieses neue Virus entwickeln, so dass sich das Virus vermutlich räumlich weiter ausbreiten, aber nicht mehr zu so offensichtlichen Massensterben wie im Jahr 2011 führen wird. Stattdessen ist zu erwarten, dass es in den betroffenen Gebieten zu zyklisch wiederholten Ausbrüchen kommen wird, sobald eine Generation von Amseln mit erworbener Resistenz von der nächsten Amselgeneration abgelöst wird.

Wenn Sie kranke oder tote Amseln finden, melden Sie diese bitte
Fakten zum Usutu-Erreger
Das Usutu-Virus (USUV) gehört zur Japanischen-Enzephalitis-Virus-Gruppe innerhalb der Familie der Flaviviridae. Es wurde das erste Mal 1959 aus Stechmücken der Art Culex neavei isoliert, die im Ndumo-Nationalpark in Südafrika gefangen wurden. Wildvögel sind der natürliche Wirt für das USUV und Zugvögel können eine Schlüsselrolle bezüglich der Ausbreitung des Virus über große Distanzen hinweg spielen.
Außerhalb von Afrika trat das USUV erstmals 2001 in und um Wien auf. Im Sommer 2009 kam es in Italien erstmals zu Krankheitsfällen beim Menschen: Zwei immungeschwächte Patienten erkrankten an einer Hirnhautentzündung, die auf eine USUV-Infektion zurückzuführen war. 2010 identifizierte die Gruppe um Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg (BNI), das USUV in Stechmücken der Art Culex pipiens, die in Weinheim im Oberrheintal gefangen wurden.
Im Juni 2011 mehrten sich Meldungen über Funde toter Vögel und nahezu amselfreie Gebiete in der nördlichen Oberrheinebene. Aufgrund der Identifizierung von USUV in deutschen Stechmücken ein Jahr zuvor wurden tote Vögel eingesammelt, um sie im BNI auf das neue Virus untersuchen zu lassen. Das Ergebnis: 223 Vögel aus 19 Arten wurden getestet, davon 86 USUV-positiv, darunter 72 Amseln.